Gleiche Jahreszeit, gleicher Ort. Weil es mir im vergangenen Jahr in London so gut gefallen hat, bin ich erneut im Juni dorthin gereist und habe wiederum im Eastend, dem Stadtviertel östlich des mittelalterlichen Stadtkerns und nördlich der Themse, Quartier genommen. Der Flug um kurz nach 6 Uhr früh brachte mich in die vorteilhafte Lage gerade noch vor dem Londoner Berufsverkehr bei meinem Hotel anzukommen. Wobei die Fahrtzeit in der Subway vom Flughafen Heathrow ins Eastend mindestens genau so lange wie der Flug von Düsseldorf nach London dauert (ca. 1 Stunde). Diesmal bin ich zunächst in den touristisch weniger frequentierten Ecken im Osten dieser größten europäischen Metropole unterwegs gewesen, kam aber natürlich auch an den "Hotspots" wie Brick Lane, Tower of London, etc. nicht vorbei. Schauen wir uns um...
Das Londoner East End, ein geografischer Begriff der gleichzeitig als Synonym für ein unterprivilegiertes Stadtviertel gilt, hat im Laufe der vergangenen Jahrhunderte schon viele Bevölkerungsgruppen kommen und gehen sehen. Erst kamen die Hugenotten, Flüchtlinge aus Frankreich, die in ihrer Heimat wegen ihres protestantischen Glaubens auf das Ärgste verfolgt wurden, später Juden, vor allem aus Osteuropa, Afrikaner und bis heute Südasiaten, besonders aus Bangladesh.
An meinem Anreisetag, einem Donnerstag, streife ich durch nahezu menschenleere Straßen und Gassen, entlang von alten Kanälen, durch das East End und bin doch immer nur einen guten Steinwurf von der geschäftigen City of London und seinem taktgebenden Bankenzentrum entfernt.
An den London Docks, einst ein Teil des geschäftigen Londoner Hafens, ist heute ein etwas verschlafenes Wohnquartier entstanden, welches die schöne Lage nahe der Themse und die Nähe zur City miteinander verbindet.
Zum greifen nah, aber doch auf der anderen Themseseite, liegt eine der neuesten Hochhausikonen, "The Shard", die Scherbe genannt.
Ganz in der Nähe des Tower of London befindet sich das schmucke Hafenbecken "St. Katharine Docks", welches, nach fast zwei Jahrhunderten Warenumschlag, heute in ein beliebtes Wohn- und Vergnügungsviertel gewandelt wurde. Es gibt allerlei Gastronomie, Liegeplätze für Freizeitkapitäne, Geschäfte, und, zumindest zur Zeit meines Besuches, eine Oase der Ruhe, nahe am Herzschlag der Stadt.
Die alten Lagerhäuser, welche die 2 Hafenbecken an manchen Stellen noch umgeben, wurden um 1827 errichtet. Die massiven Bombenangriffe der deutschen Luftwaffe im zweiten Weltkrieg haben auch die St. Katharine Docks schwer getroffen und da die dortigen Hafenanlagen nach dem Krieg rapide an Bedeutung verloren, wurde manches gar nicht wieder aufgebaut. Erst viel später, ab den 1970er Jahren, wurden Baulücken geschlossen und zum Beispiel zwischen der Themse und den Hafenbecken ein riesiger Hotelkomplex errichtet, der so häßlich ist, daß er die ganze Gegend verschandelt. Die Lage ist allerdings ausgezeichnet.
Von der Uferpromenade vor dem Tower of London hat man einen schönen Blick auf den Hochhausturm "The Shard".
Am westlichen Hafenbecken der Katharine Docks vorbei, schaut man auf das Bürogebäude 20 Fenchurch Street, welches von den Londonern "The Walkie Talkie", also das Funkgerät, genannt wird. Dort soll es einen beeindruckenden Dachgarten mit einem kostenlosen (!) atemberaubenden Ausblick geben. Das werde ich bei meinem nächsten Besuch überprüfen.
Eigentlich wäre die Tower Bridge, welche 1894 eröffnet wurde, lediglich eine kombinierte Hänge- und Klappbrücke aus genietetem Eisen, doch ihre imposanten, jeweils 65 Meter hohen Brückentürme machen sie zu dem bekanntesten Wahrzeichen der britischen Metropole. Dabei sind diese tatsächlich nur Fassade und für den Betrieb und die Statik der Brücke nicht von Bedeutung. Eine reine Stahlkonstruktion fand man aber damals zu popelig, daher wurden die Brückentürme gefällig mit Portland Sandstein verkleidet. Gegen Eintritt kann man in den Brückentürmen auf- und absteigen und die Themse auf der Fußgängerbrücke in 42 Metern Höhe überqueren. Dank Glasboden mit Nervenkitzel inklusive.
Bereits 2008 bin ich einen wunderschönen Spazierweg entlang dem südlichen Themseufer gefolgt, welcher unter dem Namen "The Jubilee Walkway" bekannt ist und der den Fußgänger an zahlreichen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt und mit herrlichen Ausblicken auf und über die Themse belohnt. Zehn Jahre später wurde es also allerhöchste Zeit für eine Wiederholung.
Ähnlich wie der Berliner, so hat auch der Londoner stets einen, oft etwas despektierlichen, Begriff für die Gebäude seiner Metropole zur Hand. Wir sehen, von links nach rechts, "The Walkie Talkie", 20 Fenchurch Street, "The Cheesegrater", 122 Leadenhall Street und "The Gherkin", 30 St. Mary Axe (also das "Funkgerät", die "Käsereibe" und die "Gurke").
Der "The Jubilee Walkway", welcher bereits 1977, zum silbernen Thronjubiläum der britischen Königin, eröffnet wurde, erstreckt sich über eine Länge von 15 Meilen und sei, zumindest in einem Teilabschnitt, jedem Besucher der Stadt London eindringlich ans Herz gelegt. Ich begann meinen Spaziergang an der Subway Station Tower Hill, stieg über Treppen, welche sich zwischen dem Tower of London und der Tower Bridge befinden, zur Fahrbahn der Tower Bridge empor, überquerte diese, was bei dem Verkehr nicht ganz einfach war und lief auf der rechten Brückenseite vom nördlichen Themseufer zum südlichen. Wenn man den Fluß überquert und dabei den herrlichen Blick auf beide Ufer genossen hat, gelangt man auf der Höhe der City Hall über Treppen hinab zum Uferweg.
Ein Stückchen hinter dem modernen Glaspalast, in dem das Rathaus der Stadt London beheimatet ist, liegt die HMS Belfast, ein Kriegsschiff, welches bereits im 2. Weltkrieg im Einsatz war und seit vielen Jahren als Museumsschiff besichtigt werden kann.
Hinter dem linken (nördlichen) Brückenturm der Tower Bridge sieht man den häßlichen Hotelklotz, hinter dem die beschaulichen St. Katharine Docks liegen.
Zu den weltweit bekannten Wahrzeichen Großbritanniens zählen sicherlich auch die roten gußeisernen Telefonzellen, welche allerdings nur noch selten in so prächtigem Zustand zu finden sind. Da heute kaum noch benötigt, fristen viele dieser Ikonen ein trauriges Dasein als Müllabladeplatz, öffentliche Toilette, oder als Lager für die Habseligkeiten von Obdachlosen.
Der bekannte britische Koch Jamie Oliver hat in seinen Fernsehsendungen immer wieder seine Liebe zum Borough Market betont, welcher, in seiner jetzigen Form, bereits im Jahre 1754 "zum Gebrauch und zum Wohle der Bevölkerung", angelegt wurde. Sein Ursprung soll jedoch bereits mehr als 1000 Jahre zurück liegen. Auf Höhe der London Bridge muß man nur ein Stückchen vom Themsepfad abweichen und an der bemerkenswerten anglikanischen Southwark Cathedral vorbei laufen und schon steht man mitten im Trubel eines wunderbaren Marktes mit absolut überwältigendem Angebot an edlen Frischwaren, Speisen und Getränken. Wer nicht nur mit den Augen genießen möchte, sollte allerdings nicht gerade den kleinsten Geldbeutel einstecken. Klicken Sie auf das erste Foto des nachfolgenden Albums und blättern Sie sich durch den herrlichen Markt.
Ich habe das reichhaltige Angebot des Borough Markets für eine ordentliche Stärkung genutzt und bin anschließend an die Themse zurückgekehrt, wo mich der "The Jubilee Walkway" den Fluß aufwärts, vorbei an dem Schiff "The Golden Hinde", (originalgetreuer Nachbau des Flagschiffs des "Seeräubers" Sir Francis Drake aus dem 16. Jahrhundert), der Southwark Bridge, dem "Globe-Theatre" (Nachbau eines Theaters aus elisabethanischer Zeit) und weiterer historischer Stätten führte.
"Joy Through Cake" - genau mein Motto!
Wie überall, sind auch in London die bevorzugten Wohnlagen direkt am Wasser. Hier, entlang der Themse, wird jeder Quadratmeter sprichwörtlich in Gold aufgewogen.
Am 10.06.2000 wurde die Millennium Bridge, die ausschließlich dem Fußgängerverkehr zwischen St. Paul's Cathedral im historischen Zentrum Londons und dem Kunstmuseum Tate Modern auf der Southbank dient, eröffnet. Anfangs gab es Probleme mit heftigen Schwankungen in der Brückenstruktur, die aber glücklicherweise nachträglich behoben werden konnten.
Auch wer sich nicht für moderne Kunst interessiert, sollte die Tate Modern Galerie besuchen. Von der Cafeteria, oder von der Dachterrasse hat man einen schönen Blick auf die Themse und das Zentrum von London. Da der Eintritt kostenlos ist, kann man sich auch mal auf die grandiose Architektur des ehemaligen Kraftwerks und auf seine Ausstellungsobjekte einlassen. Im großen Shop im Untergeschoß findet man vielleicht auch ein schönes Souvenir oder Mitbringsel.
Malen werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr lernen, aber ein Foto geht immer.
Rechts, hinter der gußeisernen Laterne, sehen wir den Bahnhof Charing Cross, ein gigantischer Verkehrsknotenpunkt im Zentrum von London, links daneben die prachtvollen Gebäude hinter Whitehall Gardens und, da wo die Fahnen wehen, das Britische Verteidigungsministerium, hinter dem wiederum das Regierungszentrum liegt.
Hier geht der Blick in Richtung der Lambeth Bridge im Westen Londons. Besonders am Südufer der Themse toben sich die Architekten derzeit richtig aus.
Der Himmel lies es schon erahnen, kurz darauf gab es einen ordentlichen Regenguß.
Wie ich schon an anderer Stelle schrieb, ist London voller abwechslungsreicher Märkte. Dies triff vor allem auf das Wochenende zu. Der Inhaber meiner Unterkunft gab mir den Tip zu seinem Lieblingsmarkt, der jeweils Samstags von 9-17 Uhr im Stadteil Hackney abgehalten wird. Der dortige "Broadway Market" hat mich nicht enttäuscht, denn hier gibt es ein wirklich appetitliches Angebot an Lebensmitteln, ausgefallene Textilien, schöne Blumen und allerlei Schmackazien, die es zu probieren lohnt. Hier treffen sich noch Anwohner zum Einkaufen und zum Austausch von Neuigkeiten, Touristen sind (noch) in der Minderzahl.
Die Anreise sollte man so gestalten, daß man ein gutes Stück entlang der alten Treidelpfade am Regent's Canal entlanglaufen kann. Dort gibt es allerlei Idyllisches und Bizarres zu sehen. Die zahlreichen alten "narrowboats", die früher die Stadt mit Kohle, Baumaterialien, Lebensmitteln und was sonst so gebraucht wurde, über das verzweigte Kanalnetz versorgt haben, sind heute zu beliebten aber engen Hausbooten umgebaut. Hinter den gestapelten 40 Fuß Containern, die Büro und Ausstellungsräume beinhalten, ragen die Stahlskelette nicht mehr benötigter Gasspeicher in den Himmel.
Auf dem samstäglichen Broadway Market treffen sich Alt und Jung zum entspannten Einkaufen und zum nachbarschaftlichen Plausch. In den zahlreichen Gastronomiebetrieben und an einigen Marktständen kann man auch prima frühstücken.
Die Straße Broadway Market führt direkt zu dem großen Park London Fields, der sich hervorragend für ein Picknick eignet.
Als aufmerksamer Beobachter entdeckte ich überall "Straßenkunst" verschiedenster Machart.
An der Ada Street 2, Ecke Broadway Market, gibt es dieses ikonische Wandbild.
Nach einem ausgiebigen Marktbesuch und einem weiteren Bummel entlang des Regent's Canal ging es mit der Metro zurück ins East End. Dort warf ich noch einen Blick auf die zahlreichen Straßenkunstwerke rund um die Brick Lane.
Dieses Wandbild wurde ausschließlich aus aufgefangenem Plastikmüll gestaltet.
Zurück im East End wird's bunt.
Vielen Dank London, es war wieder einmal eine gelungene Reise in eine unglaublich vielschichtige Stadt. Ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen.